Mai 2016 – der ornithologische Wonnemonat

Ankunft der letzten Langstreckenzieher und spannende Zugbeobachtungen

Im Laufe des Monats kehrten wie üblich die letzten Brutvogelarten in den Hamburger Raum zurück. Bereits am 30.04. sang ein durchziehender Gelbspötter mitten in der Hamburger City/HH. Der erste Neuntöter saß am 02.05. im Duvenstedter Brook/HH.

Sehr früh kam die Meldung eines Sprossers am 03.05. in Wedel/PI – nicht nur ein ungewöhnlicher Ort, auch das Verhalten des Vogels, der vollkommen frei sitzend sang, war bemerkenswert. Der erste Pirol am 05.05. hielt sich schon im potenziellen Brutrevier im Wakendorfer Moor/SE auf. Am selben Tag sang auch der erste Sumpfrohrsänger in der Haseldorfer Marsch/PI. Am Tag darauf folgte ein Drosselrohrsänger am Mühlensand/HH. Auf Lühesand/STD sang am 08.05. der erste Karmingimpel. Die letzten Heimkehrer waren Schlagschwirle, erstmalig am 15.05. auf Kalte Hofe/HH und ab dem 19.05. wurden erfreulich viele Zwergschnäpper aus dem Nordosten des Berichtsgebiets gemeldet.

Der Mai ist auch der Haupt-Durchzugsmonat für diese Spätheimkehrer. Aber auch andere weniger zu erwartende Arten wurden noch ziehend angetroffen, z. B. eine Rohrweihe am 01.05. über Ottensen/HH. Noch überraschender waren 13 Gänsesäger, die am 06.05. an Pagensand/PI vorbei flogen. Zur großen Freude der „Birdracer“ zog am 07.05. ein später Fischadler über den Holzhafen/HH gen NO. Überhaupt war der 07.05. bedingt durch östliche Winde ein Greifvogel-Zugtag, über Mümmelmannsberg/HH konnte sogar eine durchziehende Wiesenweihe beobachtet werden. Bereits nachts verrieten sich heimwärts ziehende Pfuhlschnepfen über dem Duvenstedter Brook/HH durch ihre Rufe. Am 08.05. zogen 25 Zwergmöwen interessanterweise im Mühlenberger Loch/HH elbaufwärts und an der Pinnaumündung/PI elbabwärts. Der Greifvogelzug setze sich mit einem Schwarzmilan am 09.05. über Ottensen/HH und bis zu 4 Wespenbussarden am 13.05. in Wohltorf/RZ und 19.05. in der Boberger Niederung/HH fort. Da der Großteil der Weißwangengänse aus den Unterelbmarschen zunächst Richtung Nordseeküste zieht, bevor es in die Brutgebiete geht, verläuft der Abzug bei uns weitgehend unbemerkt – bis auf 215 Ind. am 14.05. über Rellingen/PI. Ein seltener Anblick war auch ein Regenbrachvogel am 24.05. über Ottensen/HH. Ebenfalls diesen „Zugweg“ nahm eine Wachtel am 27.05. über Bahrenfeld/HH. Ende des Monats konnten gleich zweimal Richtung Osten durchziehende Küstenseeschwalben beobachtet werden: je ein Ind. am 27.05. in der Wedeler Marsch/PI und am 31.05. im Mühlenberger Loch/HH.

Interessantes aus dem Brutgeschehen

Wie weit die Brandgans schon elbaufwärts vorgedrungen ist, zeigte eine erfolgreiche Brut in Stöckte/WL mit 8 Pulli (31.05.). Nach mehreren Beobachtungen im Frühjahr, gelang ein Brutnachweis der Mandarinente am 25.05. in der Kollauniederung/HH. Neben dem bekannten Vorkommen des Gänsesägers in Aumühle/RZ, verhielt sich ein Weibchen auf dem Wolni-See/PI am 01.05. auch leicht verdächtig. Gleich 3 rufende Wachteln am 22.05. in der Wedeler Marsch/PI deuten auf ein gutes Vorkommen hin. Der vermutlich letzte Brutplatz des Rebhuhns auf Hamburger Stadtgebiet in den Neugrabener Wiesen/HH war wieder besetzt, ist allerdings durch die zunehmende Bebauung des Gebietes stark gefährdet. Ob ein Schwarzhalstaucher am 08.05. auf dem Mühlensand/HH noch ein Durchzügler war oder schon brutverdächtig, wäre interessant herauszufinden. Auch bei Wiesenweihen ist im Mai die Trennung von Gast- und Brutvögeln schwierig, wie z. B. ein Ind. am 20.05. bei Sprenge/OD. Dagegen ist bei den Tüpfelsumpfhühnern im Duvenstedter Brook/HH (bis zu 2 Rufer am 19.05.) von einer Brut auszugehen. Wie schnell offene Brachflächen vom Flussregenpfeifer besiedelt werden, zeigten 2 Paare am 01.05. auf Steinwerder/HH und ein balzendes Paar am 28.05. auf der Großbaustelle „Neue Mitte Altona“/HH. Die Auszählung der Schwarzkopfmöwen-Kolonie auf der Pionierinsel/STD am 14.05. ergab erfreuliche 74 Gelege. Fast doppelt so viele  Sturmmöwen haben sich, wie schon im Vorjahr, in der Baugrube am Überseequartier in der Hafencity/HH angesiedelt. Ein Erstnachweis wäre eine brütende Mittelmeermöwe am 05.05. auf der Pionierinsel/STD. Die Frage ist, welche Möwenart den Partner stellt!? Hoffentlich war der Fund einer toten Schleiereule am 26.05. an der A7 bei Heimfeld/HH nicht das Ende des Brutvorkommens in der Fischbeker Heide/HH. Sehr späte Beobachtungen der Sumpfohreule aus der Oberalsterniederung, z. B. am 29.05. könnten auf eine Brut hinweisen. Die Ziegenmelker in der Fischbeker Heide/HH hatten am 20.05. drei Reviere besetzt. Späte Meldungen sowohl vom Wendehals (z. B. 21.05. Stapelfeld/OD) und Raubwürger (22.05. Alsterniederung bei Fahrenhorst/SE) sollten ebenfalls im Auge behalten werden. Wie wenig menschenscheu Kolkraben sein können, belegt ein Nest mit 2 fast flüggen Jungvögeln am 21.05., das sich direkt über einem Wanderweg im Rodenbeker Quellental/HH befand. Wohl eins der letzten Beutelmeisen-Nester in Hamburg hing am Allermöher See/HH. Weniger Sorgen muss man sich da um den Teichrohrsänger machen, der bis an die innerstädtische Außenalster/HH vorgedrungen ist. Interessant ist auch das Vorkommen eines singenden Erlenzeisigs am 14.05. im Duvenstedter Brook/HH. Und wie „verzweifelt“ (von der umgebenden Agrarlandschaft) muss das Bluthänflings-Paar gewesen sein, das sich das Heiligengeistfeld/HH als mögliches Bruthabitat ausgesucht haben?

Rastvögel und Letztbeobachtungen

Auch wenn bei vielen Arten die Rastbestände im Mai erwartungsgemäß abnahmen, sammelten sich Graugänse bereits wieder an den traditionellen Mauserplätzen, mit bis zu 1.317 Ind. am 20.05. in der Haseldorfer Marsch. Bis zu 581 Brandgänse und 110 Schnatterenten harrten am 16.05. im Holzhafen aus. Der Mai ist der Limikolen-Monat, in dem viele Arten ihr Frühjahrs-Maximum erreichen, so konnten im Fährmannssander Elbwatt/PI max. 28 Sandregenpfeifer am 30.05. gezählt werden. Bis zu 10 Dunkle Wasserläufer suchten am 01.05. in der Wedeler Marsch/PI Nahrung, max. 16 Grünschenkel waren es am 01.05. in der Haseldorfer Marsch/PI. Was eine Wiedervernässung an Habitatqualität bedeutet, beweisen 46 Bruchwasserläufer am 10.05. im Landschaftskorridor Allermöhe /HH. Erschreckend niedrig war mal wieder die Höchstzahl vom Kampfläufer, mit nur 11 Ind. am 12.05. in der Wedeler Marsch/PI. Neben den Männchen dieser Art, sorgten dort auch bis zu 3 Steinwälzer am 18.05. für farbenfrohe Abwechslung. Eine andere typische Mai-Art, der Sanderling, rastete in gewohnt niedriger Zahl, mit max. 2 Ind. am 18.05. in der Winsener Marsch/WL. Mitte des Monats erreichte der Temminckstrandläufer seinen Durchzugsgipfel (je 8 Ind. am 11.05. und 14.05. Wedeler Marsch/PI). Und dass auch Alpenstrandläufer durchaus noch unterwegs waren, belegten max. 10 Ind. am 12.05. in der Wedeler Marsch/PI.

Das reichhaltige anthropogene Nahrungsangebot auf dem Hamburger Fischmarkt/HH nutzen nach wie vor bis zu 12 Steppenmöwen (29.05.). Auf der Suche nach einer ganz anderen Lieblingsnahrung, nämlich frisch geschlüpfte Eintagsfliegen, waren bis zu 25 Trauerseeschwalben am 09.05. in der Wedeler Marsch/PI. Und die stattliche Anzahl von 280 Ringeltauben am 16.05. am Mittleren Landweg/HH war sicherlich auch auf eine gute Nahrungsquelle zurückzuführen. Durch Regenwetter zur boden- bzw. wassernahen Nahrungssuche gezwungen wurden bis zu 250 Mauersegler am 20.05. an der Außenalster/HH, 600 Rauchschwalben am 03.05. am Öjendorfer See/HH und 500 Mehlschwalben am 16.05. bei Hahnöfer Nebenelbe/STD. Erst spät im Monat wurde die Maximalzahl von 17 Steinschmätzern am 28.05. in Moorburg/HH ermittelt. Sehr späte Meldungen gab es von Tundrasaatgans (1 Ind. am 01.05. an der KeSt Krümse/WL) und Raufußbussard (1 Ind. am 13.05. in der Haseldorfer Marsch/PI). Eher noch in den Mai gehörte ein letzter Merlin am 18.05. in der Wedeler Marsch/PI. Bis zum 20.05. harrte eine weibliche Spießente in der Haseldorfer Marsch/PI aus. Einen Tag später jagte ein später Fischadler an der KeSt Krümse/WL. Und am letzten Tag des Monats konnte eine Kornweihe in der Oberalsterniederung/SE bestimmt werden.

Seltenere Gäste

Zu Monatsbeginn (03.05. und 05.05.) wurde ein Kolbenenten-Weibchen auf dem Binnenhorster Teich/OD beobachtet. Eine Brandseeschwalbe rastete am 10.05. im Holzhafen/HH, bevor sie Richtung NW abzog. Den Holzhafen/HH besuchte vom 15.-17.05. auch eine Raubseeschwalbe. Am 16.05. kreiste ein Schwarzstorch über Barsbüttel/OD. Der einzige Frühjahrsnachweis des Ortolans im Berichtsgebiet war ein singendes Männchen am 21.05. an der Alten Süderelbe/HH. Der alljährliche Löffler hielt sich am 25.05. und 26.05. in der Wedeler Marsch/PI auf. Nicht schlecht gestaunt hat der Beobachter über 7 Eiderenten am 29.05. an der Ilmenaumündung/WL.

Ausnahmeerscheinungen

Der Mai schien alles, was bisher im Jahr 2016 an Aufregung bei den Beobachtern gefehlt hat, aufholen zu wollen. Vor allem die fast konstante Ostwindlage im ersten Monatsdrittel sorgte für viele Highlights. Den Auftakt machte ein Rotfußfalken-Weibchen vom 07.-08.05. in der Winsener Marsch/WL. Am 08.05. wurde dort auch noch ein Purpurreiher gesehen und fotografiert, was den 13. Nachweis für das Berichtsgebiet darstellt. Ebenfalls am 08.05. besuchten 11 Weißbart-Seeschwalben das Gebiet, während Wedeler Marsch/PI am selben Tag 3 Weißflügel-Seeschwalben gesichtet wurden. Es folgten viele weitere Beobachtungen dieser hübschen Sumpfseeschwalben im Laufe des Monats in beiden Gebieten. Und am 10.05. wurden auch am Binnenhorster Teich/OD 3 Weißbart-Seeschwalben entdeckt, von denen ein Ind. bis zum nächsten Tag blieb. Noch überraschender war das Auftauchen einer vorjährigen Eismöwe am 10. und 13.05. im Holzhafen/HH, die Beobachtung passt aber gut ins Bild einzelner übersommernder Ind. in Schleswig-Holstein 2015/16. Außergewöhnlich war die Nachricht von zwei Schreiadlern am 11.05. im Duvenstedter Brook/HH, von denen ein Ind. am 14.05. nochmal gesehen wurde. Die wenigen Nachweise dieser Art in den letzten Jahrzehnten betrafen immer Einzelvögel. Im Doppelpack traten auch zwei Rotfußfalken-Männchen am 12.05. in der Alsterniederung/SE auf. Wie schon im letzten Jahr rastete ein (für seine Rastplatztreue bekannter!) Terekwasserläufer an der Carl Zeiss Vogelstation in der Wedeler Marsch/PI und erfreute zahlreiche Beobachter vom 18.-22.05. Dies war erst der 4. Nachweis im Berichtsgebiet. Völlig aus dem Rahmen und somit sehr dem Verdacht ausgesetzt, ein Gefangenschaftsflüchtling zu sein, fiel eine Schneegans am 27.05. ebenfalls in der Wedeler Marsch/PI. Der krönende Abschluss dieses außergewöhnlichen Monats war ein dunkler Zwergadler, der am 28.05. über Ottensen/HH nach N zog. Dies wäre bei Anerkennung durch die DAK der erste sichere Nachweis für den Hamburger Raum und damit der Vogel des Monats.

Guido Teenck