Wimmer, Norbert & Volker Zahner (2010): Spechte - Leben in der Vertikalen - Karlsruhe (G. Braun Buchverlag). 112 Seiten, 179 Farbabbildungen, 10 Verbreitungskarten, 1 Tabelle. Hardcover, Fadenheftung, 22,5 x 24 cm. ISBN 978-3-7650-8526-0. 27,90 €.

 

 

 

 

Spechte sind die Wohnungsbauer des Waldes, das wird in diesem Buch sehr prägnant, gut verständlich und interessant dargestellt.

Das erste Kapitel („Ein Leben in der Vertikalen“) stellt quasi die Einleitung zum Buch dar und handelt komprimiert Wälder, Bäume und Holz sowie deren Zusammenhang mit den Spechten ab. Danach folgt ein Kapitel zur Rolle der Spechte in Mythen und Sagen („Von verwunschenen Prinzen, Götter- und Regenvögeln“). Die nächsten fünf Kapitel widmen sich Physiologie, Verhalten und Ökologie der Spechte („Der Körperbau“, „Die Nahrungssuche“, „Die Balz“, „Der Höhlenbau“, „Das Familienleben“). Die Anpassungen des Körperbaus an die harte Arbeit im Walde werden gut verständlich und bebildert darge­stellt, als Stichworte seien hier nur Schädeldämpfung, Zungenlänge, Wendezehen, Stützschwanz und angepasste Mauser erwähnt. Die unterschiedlichen Methoden der Nahrungssuche und -bearbeitungs­methoden sowie die verschiedenen Nahrungsarten und -strategien werden ausführlich behandelt. Auch Balz, Partnerwahl, Partnertreue und Revierverteidigung mit den Besonderheiten bei einzelnen Arten werden gut dargestellt. Z.B. können bei Bunt- und teilweise beim Mittelspecht auch die Weibchen trommeln und es kann sogar zu einer Umkehr der Geschlechterrollen kommen (die Weibchen kämpfen um die Revier-haltenden Männchen).

 

Der Bau von Höhlen ist kein Privileg der Spechte, daher wird im entsprechenden Kapitel („Der Höhlenbau“) kurz auch auf andere Arten wie Weiden- und Haubenmeise eingegangen. Ausführlich werden dann Bau und Baumethoden der Spechthöhlen beschrieben. Wenn die Höhle dann bezugsfertig ist und nicht von konkurrierenden Arten übernommen wurde, geht es an das eigentliche Brutgeschäft, die Eiablage und Aufzucht der Küken, mit all ihren Problemen. Wenn die Jungen die Höhle verlassen haben, müssen sie erst mal die Feinheiten der Nahrungssuche von den Eltern lernen. Viele Details der Brutbiologie stammen von Oskar und Magdalena Heinroth, die fast alle mitteleuropäischen Vogelarten mit der Hand aufzogen, um sie zu studieren. Bei den Spechten kamen sie aufgrund der negativen Auswirkungen auf Haut und Mobiliar zum Schluss, „dass Spechte für Wohnzimmer eine Unmöglichkeit darstellen“.

 

Anschließend widmen sich zwei Kapitel der wichtigen Rolle des Spechtes im und für den Wald und für andere Tierarten („Wohnraum Spechthöhle“, „Die Bedeutung der Spechte im Ökosystem Wald“). Nachdem die Spechthöhle nicht mehr von den Spechten genutzt wird (je nach Spechtart nach einem oder mehreren Jahren), ist sie ein heißbegehrter Wohnraum für andere Arten. Je nach Höhlengröße sind es verschiedene Eulenarten, Schellente, Hohltaube, Star, Mauersegler, Meisen und Kleiber, um nur die wichtigsten zu nennen. Aber auch Säugetiere wie Schläfer und Fledermäuse, Insekten wie Hornissen und der seltene Eremit sind auf Höhlen angewiesen. Aber Spechte dienen natürlich auch anderen Arten wie v.a. Sperber und Habicht als Nahrung.

 

Das Kapitel „Spechte schützen“ handelt u.a. von Konflikten des Specht-Schutzes und der Waldbewirtschaftung. Im Kapitel „Spechten auf der Spur“ werden Methoden zur Erforschung der Brutbiologie der Spechte vorgestellt (Fang, Beringung, Besenderung, ...). Der Abschnitt „Specht und Mensch“ bringt Tipps zum Beobachten von Spechten, zur Öffentlichkeitsarbeit, zur Vermittlung von Naturkenntnissen, aber auch zum immer präsenter werdenden Thema Specht-Schäden in Fassadendämmungen. Und wußten Sie z.B., dass Spechte 1995 in den USA den Start des Space-Shuttles „Discovery“ um etwa einen Monat verzögerten, weil sie den Zusatztank mit seiner Isolierung für einen morschen Baum hielten und über 100 Höhlen hackten?

 

Das nächste und längste Kapitel widmet sich den europäischen Vertretern der Spechte im Einzelnen. Nach einer kurzen Einleitung zur Ordnung der Spechte wird jede der zehn Arten auf zwei Seiten vorgestellt (Klein-, Mittel-, Bunt-, Blut-, Weißrücken-, Dreizehen-, Schwarz-, Grau- und Grünspecht sowie der „Ausnahmespecht“ Wendehals). Besonderheiten der Arten und ihrer Lebensweise und Ökologie werden in kurzen Texten gebracht. Dazu kommt ein kurzer Steckbrief mit wissenschaftlichem und englischem Namen, Körpermaßen, Beschreibung der Stimme und des Trommelns, einer kurzen Charakterisierung des bewohnten Lebensraumes und einer Verbreitungskarte. Details der Brutbiologie (Gelegegröße, Brutdauer etc.) und der Nahrung der zehn Spechtarten sowie den aktuellen Schutzstatus nach Bundesnaturschutzgesetz und EU-Vogelschutzrichtlinie zeigt eine Übersichtstabelle („Spechte in Zahlen“). Literaturverzeichnis und Register beschließen das Buch.

 

Die Texte werden überwiegend in kurzen „Häppchen“ gebracht und lesen sich sehr angenehm. Anekdoten lockern immer wieder die Thematik auf und bringen Interessantes und Erstaunliches. Das Buch lebt aber neben den guten Texten auch von den hervorragenden Farbfotos, die die Spechte in typischen Lebenssituationen zeigen.

 

Fazit: Dieses Buch ist nicht nur für Spechtliebhaber empfehlenswert, sondern für alle Vogelkundler und Naturinteressierten. Und wegen der Rolle der Spechte für den Lebensraum Wald sollte es natürlich in keiner Waldbesitzer- oder Förster-Bibliothek fehlen.

Jens Hartmann