Mammen, U., T. Bahner, J. Bellebaum, W. Eikhorst, S. Fischer, I. Geiersberger, A. Helmecke, J. Hoffmann, G. Kempf, O. Kühnast, S. Pfützke & A. Schoppenhorst (2005): Grundlagen und Maßnahmen für die Erhaltung des Wachtelkönigs und anderer Wiesenvögel in Feuchtgrünlandgebieten. - BfN-Skripten 141, 253 S., mit zahlreichen Abb. und Tab., Hardcover, 21 x 29 cm, Kostenloser Bezug: Bundesamt für Naturschutz, Konstantinstr. 110, 53179 Bonn

Der Bericht enthält die wesentlichen Ergebnisse des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens „Bewertung des Beitrags nationaler und internationaler Naturschutzvorhaben in Deutschland zur Erhaltung stark gefährdeter Vogelarten auf landwirtschaftlich extensiv genutzten Flächen (z.B. Wachtelkönig): Zielkonflikte und Lösungswege“. Dieses Projekt wurde von 1997 bis 2001 unter Mithilfe zahlreicher Kooperationspartner federführend vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. durchgeführt und vom Bundesamt für Naturschutz fachlich betreut.

 

Die Situation der Wiesenvögel wurde in fünf verschiedenen Regionen Deutschlands untersucht, die vom Bundesumweltministerium als Gebiete von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung, speziell für den Wiesenvogelschutz, gefördert werden. Im Einzelnen handelt es sich um die Eider-Treene-Sorge-Niederung (Schleswig-Holstein), das Bremer Becken (Borgfelder Wümmewiesen und angrenzende Fischerhuder Wümmeniederung), den Nationalpark Unteres Odertal (Brandenburg), das Murnauer Moos und die Schwarzachaue (beide Bayern).

 

In unterschiedlicher Intensität wurden dort Untersuchungen zur Siedlungsdichte und zum Bruterfolg verschiedener Wiesenvogelarten durchgeführt, ebenso zu Habitatstruktur, Wasserhaushalt und landwirtschaftlicher Nutzung sowie in einigen Gebieten auch zum Vorkommen von Kleinsäugern und Beutegreifern. Im Mittelpunkt des Projektes stand der weltweit gefährdete Wachtelkönig, weil seine Ansprüche teilweise erheblich von denen anderer Wiesenvögel abweichen und es diesbezüglich noch größere Wissenslücken gab. Intensive Forschungsarbeiten mit Fang (es wurden allein 371 Wachtelkönig-Männchen beringt!) und Telemetrie wurden an dieser Art im Unteren Odertal, im Bremer Becken und im Murnauer Moos durchgeführt. Spezielle Untersuchungen befassten sich etwa mit der Phänologie, der Raumnutzung, der Ortstreue und dem Verhalten bei der Mahd.

 

Der Bericht präsentiert eine Fülle schutzrelevanter Erkenntnisse. So ergab beispielsweise die Beobachtung besenderter Wachtelkönige während der Mahd, dass etwa die Hälfte der adulten Vögel erst in weniger als fünf Meter Entfernung vor dem Kreiselmäher flüchtete – mit dem traurigen Ergebnis, dass rund jeder fünfte (flugfähige!) Vogel die Mahd nicht überlebte. Bei den Jungvögeln liegen die Verluste – abhängig von ihrem Alter, der Größe der gemähten Fläche und der Art der Mahd – häufig noch wesentlich höher. Ein Teil der überlebenden Altvögel verließ das jeweilige Untersuchungsgebiet nach der Mahd großräumig. 

 

Ein zunehmend großes Problem für den Bestandserhalt vieler Wiesenvogelarten stellen Gelegeverluste durch Prädatoren dar. Mit Hilfe so genannter Thermologger, die automatisch die Temperatur im Nest aufzeichnen, konnte das Schicksal von Wiesenbrütergelegen verfolgt und der Zeitpunkt einer eventuellen Prädation zeitlich bestimmt werden. Nur 13 Prozent der prädationsbedingten Verluste erfolgten tagsüber, meist durch Krähen, der Rest nachts oder in der Dämmerung durch Füchse oder Marderartige wie Iltis und Hermelin. Zusammenhänge mit der Kleinsäugerdichte und dem Wasserregime in den einzelnen Gebieten werden diskutiert. Ebenso werden Zusammenhänge zwischen Vorkommen und Bruterfolg einzelner Wiesenvogelarten mit der Art und Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung in den einzelnen Untersuchungsgebieten aufgezeigt.

 

Aus den ermittelten Grundlagendaten werden Konsequenzen für das Gebietsmanagement und die Grünlandbewirtschaftung abgeleitet. Im Kapitel „Neue agrarökonomische Aspekte zum Wiesenvogel- und Wachtelkönigschutz“ werden herkömmliche Vereinbarungen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz („Vertragsnaturschutz“, Extensivierungsprogramme) kritisch hinterfragt und vor dem Hintergrund sich ändernder agrarpolitischer Entwicklungen neue Modelle einer Erfolg versprechenden Kooperation aufgezeigt. Wesentlich erscheint dabei eine deutlich flexiblere Handhabung der Auflagen, die allerdings eine intensive Kontrolle nicht nur des Vorkommens von Wiesenvögeln auf bestimmten Flächen, sondern auch des Brutgeschehens selbst voraussetzt. Ebenso wird statt des bisherigen flächenbezogenen Ansatzes ein naturraumbezogener Ansatz gewählt, durch den der agrarstrukturelle Stellenwert der betroffenen Grünlandflächen für die regionale Landbewirtschaftung in den Mittelpunkt rückt. Weitere Anregungen sind in diesem Zusammenhang die Ausschreibung von Naturschutzleistungen und die Festsetzung von Prämien für naturschutzgerechtes Wirtschaften über einen Preisbildungsprozess durch Konkurrenzbedingungen. Hierzu ist eine weit stärkere individuelle Zusammenarbeit als bisher zwischen betroffenen Landwirten und fachlich versierten Naturschützern bzw. Gebietsmanagern erforderlich. 

 

Die für die Untersuchungsgebiete aufgestellten Pflege- und Entwicklungspläne werden auf der Basis der im Projekt gewonnenen Erkenntnisse aus Sicht des Wiesenvogel- und Wachtelkönigschutzes analysiert und bewertet. In den jeweiligen Gebieten differieren wesentliche Faktoren wie Wasserhaushalt, Relief, Nutzung, Habitat- und Artenausstattung ebenso wie brutphänologische Daten.

 

Abschließend werden Empfehlungen zum Schutz der Vogelwelt des Grünlandes erarbeitet. Dabei wird deutlich, dass sich ein erfolgreiches Management immer an den konkreten Problemen und Erfordernissen im jeweiligen Gebiet orientieren muss und nicht ohne eine fachlich fundierte Gebietsbetreuung auskommt. Die unterschiedlichen Habitatansprüche der Zielarten müssen im selben Gebiet auf unterschiedlichen Flächen verwirklicht und gleichzeitig auch andere (z.B. botanische) Schutzziele berücksichtigt werden.  

 

Der Bericht ist zweifellos Pflichtlektüre für alle Personen, die mit dem Schutz von Wiesenvögeln und Feuchtgrünland befasst sind. Viele der gewonnenen Forschungsergebnisse sind darüber hinaus sicherlich auch für einen größeren Kreis von Ornithologen und Naturschützern interessant. Es steht allerdings zu befürchten, dass das umfangreiche Werk für eher allgemein am Thema Interessierte doch zu speziell und detailliert ist, als dass sich der Erwerb wirklich lohnen würde. Wesentliche Erkenntnisse aus dem Projekt sollten daher durch Veröffentlichung in gängigen Fachzeitschriften einem breiteren Fachpublikum zugänglich gemacht werden.

 

Dr. Uwe Westphal