Wember, Viktor (2005): Die Namen der Vögel Europas. Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen. - Aula-Verlag, Wiebelsheim (ISBN 3-89104-678-2). 207 S., 181 Farbbilder (nach Fotos), Softcover, leider nur Klebeheftung, 15x23 cm., € 24,95. Hier wird keinesfalls lediglich eine Marktlücke gefüllt, sondern jeder Vogelkundler, der dies hübsch und übersichtlich gestaltete Buch durchblättern sollte, wird vom Inhalt gefesselt sein! Nach dem gut lesbaren einleitendem Teil von ca. 20 Seiten, welcher u.a. eine sehr informative Tabelle über die wichtigen Autoren der heutigen wissenschaftlichen Vogelnamen enthält, beginnt der Hauptteil, der für 440 europäische Arten eine kommentierte Artenliste in systematischer Reihenfolge bringt, angereichert durch kleine instruktive Farbfotos bei vielen Arten. Für jede Art werden die Herkunft und Bedeutung sowohl des deutschen, als auch des wissenschaftlichen, dabei durchaus nicht immer „lateinischen“ Namens erklärt (oft griechischen, lateinischen aber z.B. auch polnischen, faröischen Ursprungs!). Wie spannend dies sein kann, möchte ich - hier nur stichwortartig - an einigen wenigen Beispielen zeigen:

 

Stercorarius skua (Skua, Große Raubmöwe)

Stercorarius: "Mistkerl" (unverschämter Kerl) vom lateinischem stercus = der Mist

skua: ursprünglich Artname von den Faröer-Inseln für diese Art

Streptopelia decaocto (Türkentaube)

Streptopelia „Taube mit der Halskette“ (griechischen Ursprungs)

decaocto = achtzehn (griechisch), da einst als 18. Variante der Lachtaube beschrieben

Remiz pendulinus (Beutelmeise)

Remiz: polnischer Name dieser Art, da früher nur in osteuropäischen Ländern verbreitet (damals auch "Lithauische Meise" genannt); Artname Remiz noch heute im Französischen

pendulinus: hängend (Nest!) vom lateinischen pendeo = hängen

Merlin aus dem mittelhochdeutschen „smirlin“ = Zwergfalke, also nicht vom Zauberer Merlin aus der Artus-Sage

Grasmücke kommt vom Doppelwort Gra - smücke! Denn „Gra“ ist im Mittelhochdeutschen grau, „Smücke“ bedeutet dort Schlüpfer, Ducker.

Ammer lautmalender Zusammenhang mit dem hämmernden Gesang der Goldammer (vergl. englisch Yellowhammer!)

Soweit nur einige wenige Beispiele. Der Autor hat sehr viel Literatur ausgewertet; alle Quellen werden genannt und die Artenliste wird durch zusätzliche und häufig interessante 200 Anmerkungen ergänzt.

Es gibt nur sehr wenige Kritikpunkte, die bei der hohen Qualität des Inhalts nicht überbewertet werden sollten: So wird wiederholt von „Rassen“ (längst nur noch bei Haustieren gebräuchlich) statt von „Unterarten“ geschrieben. Ein paar mehr moderne ‚Splits‘ wären wünschenswert gewesen (z.B. Weißkopfmöwe in Steppen- und Mittelmeermöwe). Der Satz „Den weißen Kopf hat sie gemeinsam mit allen anderen großen Möwen“ bei der Weißkopfmöwe sorgt für Verwirrung. Richtig wäre gewesen „Im Gegensatz zu vielen anderen Großmöwen-Arten behält die Weißkopfmöwe sogar im Winterkleid ihren weißen Kopf (andere Arten: grau gestrichelt)“. - Ein zufällig im Besitz des Rezensenten befindliches Büchlein von 1888 (J. Pietsch: „Herleitung und Aussprache der Wissenschaftlichen Namen .... der Vögel Deutschlands“) wurde vom Autor offenbar nicht ausgewertet, zeigt aber auch nur bei wenigen Namen zusätzliche Erklärungsmöglichkeiten (z.B. bei Anser oder Bartmeise).

Fazit: Selten habe ich beim Stöbern in einem ornithologischen Buch so viel Freude gehabt und dermaßen viel dazugelernt. Sehr empfehlenswert bei zudem günstigem Preis (Vorwurf an den Verlag: Leider keine Fadenheftung).

 

Jörg Wittenberg