Hamburger Avifaunistische Beiträge Band 2 (1965)
Mit der Vorstellung des zweiten Bandes der „Hamburger avifaunistischen Beiträge“ gehen wir zurück ins Jahr 1965. Erstmals enthält die Zeitschrift umfangreichere Artabhandlungen, in denen das bis Anfang der 1960er Jahre vorhandene Wissen über das Vorkommen von Flussregenpfeifer, Wiedehopf, Rohrdommel, Zwergdommel und Seidenschwanz zusammengefasst wird.
Dabei zeigt Streese für den Flussregenpfeifer auf, dass die Art in den 1930er Jahren im Elbtal weit verbreitet war und mit heute nicht mehr vorstellbaren 80 Brutpaaren vertreten war. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen diese Bestände zurück, während es gleichzeitig – auch aufgrund starker Bautätigkeiten und vieler Ruderalstandorte – auf der Geest bis ins innere Stadtgebiet zu einer starken Ausbreitung der Art kam.
J.W. Berg fasst das Vorkommen des Wiedehopfes zusammen, einer Art, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Hamburg noch regelmäßiger Brutvogel war, bevor sich die westliche Arealgrenze des Brutgebietes nach Südosten verschob. Allerdings kam es auch 1960 noch einmal zu einem Brutnachweis im Butterbargsmoor/PI!
Wohl schon immer nur sporadische Brutvögel im Hamburger Raum waren Rohrdommel und Zwergdommel. Die Zusammenstellung des Datenmaterials bis Anfang der 1960er Jahre durch J. W. Berg führt für die Rohrdommel das Steinbeker Moor/HH sowie die Elbinseln Neßsand/HH und Pagensand/PI als mögliche Brutgebiete auf. Das Steinbeker Moor/HH wurde Mitte der 1950er Jahre auch für die Zwergdommel als Brutgebiet bekannt. Daneben scheint es Ende der 1950er Jahre auch ein Vorkommen in der Haseldorfer Marsch/PI gegeben zu haben.
Haarmann beschreibt ausführlich den Status des Seidenschwanzes als Gastvogel. In den 1950er und 1960er Jahren trat die Art im Gegensatz zur heutigen Situation alljährlich als Wintergast in Erscheinung. Beschrieben werden auch Details zum Verhalten, zur Habitatwahl, Verbreitung und Nahrung im Hamburger Raum.
Ein besonderes Kleinod ist die Veröffentlichung von Petersen über die Brutvögel im Hagenmoor/OD, damals ein Niedermoor mit Gehölzaufwuchs und Röhricht. Für dieses etwa 90 ha große Gebiet bei Ahrensburg/OD dürfte damit die älteste systematische Siedlungsdichte-Untersuchung im Hamburger Raum vorliegen. Dorngrasmücke, Fitis und Teichrohrsänger waren damals die häufigsten Arten. Wie mag sich die Vogelwelt heute darstellen? Es wäre doch sehr spannend, eine solche Untersuchung in den nächsten Jahren mal zu wiederholen!
Die Internationale Wasservogelzählung ist auch in Hamburg das Vogelmonitoring mit der längsten Laufzeit. Volkmann fasst im zweiten Band der Hamburger avifaunistischen Beiträge sämtliche Ergebnisse von September 1959 bis März 1964 Gebiet für Gebiet und Art für Art zusammen. Für seltenere Wasservögel werden alle Einzelnachweise aufgelistet. Auch diese Publikation ist eine Fundgrube für Vergleiche mit der heutigen Situation.
Allein 75 Seiten nimmt der von J. Dien zusammengestellte Ornithologische Jahresbericht 1964 für das Hamburger Berichtsgebiet ein. Bereits damals standen mehr als 20.000 Einzelbeobachtungen zur Verfügung! Mit Erstaunen liest man, dass das Jahr 1964 „allen Hamburger Beobachtern als das Jahr der Bienenfresser in Erinnerung bleiben wird“. Ein warmer Sommer brachte u.a. auch viele Wachteln sowie Blauracke und Beutelmeise nach Hamburg. Von besonderem Wert sind aus heutiger Sicht die zahlreichen handgezeichneten Verbreitungskarten u.a. von Haubentaucher (sehr lückenhaftes Vorkommen, kein Vergleich zu heute), Tüpfelsumpfhuhn (Nachweise aus 14 Gebieten!), Türkentaube (Situation noch vor der zwischenzeitlich flächenhaften Besiedlung der Stadt), Grünspecht (viel seltener als heute), Haubenlerche (ganzseitige Verbreitungskarte mit weit gestreuten Brutvorkommen bis in Citynähe), Tannenmeise und Schwanzmeise (für beide Arten offenbar 1964 nur wenige Brutgebiete bekannt!), Misteldrossel (1964 nur am Stadtrand und im Umland), Steinschmätzer (noch zahlreiche Brutgebiete auf der Geest!), Braunkehlchen (mit weiter Verbreitung auch auf der Geest), Girlitz (mit von heutigen Verhältnissen gänzlich abweichender Verbreitung entlang der Elbparks sowie westlich der Alster, während aus dem Alten Land kaum Vorkommen bekannt waren) und Grauammer (die Karte zeigt sieben Brutvorkommen!). Für den Turmfalken werden die damaligen Brutplätze im Innenstadtbereich ausführlich aufgelistet. Fotos zeigen den ehemaligen Zustand des Steinbeker Moores (damals Brutgebiet von Blaukehlchen, gelegentlich Rohrdommel, Zwergdommel), eine noch deutlich von Kriegsschäden geprägte städtische Brache am Nagelsweg in Hammerbrook als Brutgebiet der Schafstelze sowie den damaligen Schlafplatz der Berghänflinge am Speersort (das Gebäude existiert schon lange nicht mehr). Diese Veröffentlichung ist eine Fundgrube für alle an langfristigen Entwicklungen und Veränderungen Interessierten und voll von Anregungen für vergleichende Betrachtungen mit der heutigen Situation.
Der Band 2 der „hab“ wird abgerundet durch eine ausführliche Darstellung starker Wintervorkommen der Sumpfohreule im Süderelberaum durch Bethge, Harms und Steppan (mit heute nicht mehr vorstellbaren Ansammlungen von bis zu 20 Individuen, illustriert durch Habitatfotos), einen Beringungsbericht von U. P. Streese und eine Zusammenstellung der im Jahr 1964 erschienenen Literaturstellen mit Bezug zum Hamburger Raum (W. Lemke).
Alexander Mitschke